Herausforderungen in der Entwicklung von neuen Papierverpackungen für Lebensmittel

Gastbeitrag von Herwig Kirchberger, Cooperation & Business Development, DELSCI GmbH

Papiermaschine PM3 der Delfort AG in Traun © Dr. Franz Feurstein GmbH
Papiermaschine PM3 der Delfort AG in Traun © Dr. Franz Feurstein GmbH
Sauerstoff (OTR) und Wasserdampf (MVTR) Barrieren von gängigen Verpackungsmaterialien und exemplarische Anwendungsbereiche in der Lebensmittelindustrie (derzeitige Barriereleistung von Hochleistungspapieren in grau)

29.04.2021

Neue EU-Verpackungsrichtlinien, anspruchsvolle EU-Recyclingziele und ein wachsendes Verbraucherbewusstsein für nachhaltigere Produkte eröffnen ein enormes Marktpotential für neue, „grüne“ Packstoffe in der Lebensmittelindustrie.

Neben hohen Wachstumsraten bei Um- und Transportverpackungen aus Karton (v.a. durch E-Commerce) führt der nachwachsende Rohstoff Zellulose auch zu einer Renaissance von Papier für rezyklierbare und bioabbaubare flexible Verpackungen. Erste Anwendungen im Bereich trockener Lebensmittel, Gefrierkost, Gemüse – aber auch Süßwaren und Käse – haben bereits den Weg in die Verkaufsregale gefunden.

Der österreichische Spezialpapierhersteller Delfort, der bereits seit mehreren Jahren im Bereich Food-Service z.B. mit Einwickelpapieren für Burger erfolgreich am Markt ist, hat diesen Trend frühzeitig erkannt und 2019 für die Entwicklung von neuen Hochleistungspapieren für nachhaltige Verpackungsanwendungen das Forschungsunternehmen DELSCI gegründet. Dort arbeitet ein Team von Chemikern, Physikern, Papiertechnologen und Produktentwicklern an drei Standorten (Traun/OÖ, Wattens/Tirol, Tervakoski/Finnland) mit modernster Analytik und Spezialbeschichtungsanlagen an den Hochleistungspapieren von morgen.

Die wesentliche technologische Herausforderung besteht im intelligenten Schutz der Oberfläche des offenporigen, faserbasierten Papiersubstrates mit verschiedensten Barriereschichten gegen das Eindringen von Fett, Wasser, Wasserdampf, Sauerstoff und Mineralölen. Gleichzeitig darf aber die Rezyklierbarkeit im Altpapierkreislauf dadurch nicht beeinflusst werden und der Anteil an bioabbaubaren, nachwachsenden Rohstoffen soll beim Design der Schutzlagen so hoch wie möglich bleiben. Die meist mehrlagigen Barrieren werden in wenigen µm Schichtstärken über spezielle Streichaggregate auf der Papiermaschine und zusätzlich auch auf offline Beschichtungsanlagen aufgebracht.

Dabei kommen zumeist Rollenauftragsaggregate für Primerlagen und kontaktlose Beschichtungstechnologien (z.B. Vorhangbeschichtung) für Funktionslagen zum Einsatz. Bei den eingesetzten Chemikalien handelt es sich um Kombinationen aus verschiedenen Biopolymeren, wässrigen Polymerdispersionen und mineralischen Füllstoffen sowie Prozessadditiven. Die chemische Formulierung der einzelnen Barrieren muss hinsichtlich dynamischer Rheologie und Schaumverhalten, Benetzbarkeit sowie Trocknungsverhalten auf die Eigenschaften des Papiersubstrats und die Beschichtungstechnologie angepasst werden. Hierin liegt das wesentliche Knowhow in der Produktentwicklung. 

Erfolgreich ist man nur dann, wenn die Sicherheit und Haltbarkeit der verpackten Lebensmittel sichergestellt werden können sowie eine hohe Verbraucherfreundlichkeit der Verpackung zu wettbewerbsfähigen Herstellkosten erzielt wird. Bei der Performance und den Kosten hat das etablierte Verpackungsmaterial Kunststoff derzeit noch klar die Nase vorne, aber Nachhaltigkeitsaspekte sprechen schon heute eindeutig für die neuen Hochleistungspapiere. Somit ist davon auszugehen, dass wir in Zukunft eine Koexistenz von rezyklierbaren Monomaterialien aus Kunststoff und Papier sehen werden und wir lediglich bei Hochbarriereanwendungen an wenig rezyklierbaren Mehrschichtsystemen und metallisierten Verbundmaterialien nur schwierig vorbeikommen werden.

Weitere wichtige Aspekte sind neben der Barriereleistung von Verpackungspapieren eine hohe mechanische Festigkeit für die Sicherstellung der Lauffähigkeit auf gängigen Verpackungsmaschinen, eine gute Bedruckbarkeit des Materials, ein geringes Klebeverhalten der Oberfläche um die Anhaftung von Lebensmittelresten zu minimieren sowie die Bereitstellung einer Beschichtung, um die Verpackung durch Heiß- oder Kaltsiegelverfahren hermetisch verschließen zu können.

Oftmals wird auch die Möglichkeit einer gewissen Materialtransparenz angefragt, die mit dem derzeitigen Stand der Technik bis Transparenzgraden von 80-85 % („Transluzente Eigenschaften“) bei Papieren realisiert werden kann. Dies wird vor allem in der Bekleidungsindustrie (z.B. Ersatz von PE Verpackungen) derzeit sehr geschätzt, weil beim Konsumenten der Eindruck einer natürlichen Transparenz entsteht. Papier weist natürlich nur eine begrenzte Reiß- und Durchstoßfestigkeit auf, was besonders bei scharfkantigen und spitzen Lebensmittelbestandteilen zu beachten ist. Das Material besitzt aber im Gegensatz zu Kunststoffen ein kontrolliertes Reißverhalten, was beim händischen Öffnen von Verpackungen oft einen großen Vorteil für die Verbraucher darstellt.  Papier hat gegenüber Kunststoff auch den Vorteil, dass das Material im unbehandelten Zustand eine gewisse UV-Barriere aufweist.

Die Berücksichtigung all dieser Aspekte verlangt nach einem intensiven Austausch mit der gesamten Wertschöpfungskette der Verpackungsindustrie, vom Rohstoff über den Anlagenbauer bis zum Abpackprozess beim Nahrungsmittelhersteller und den Recyclingbetrieben. Um diese Herausforderungen in der Produktentwicklung zu meistern, kommen bei DELSCI agile Projektmanagementmethoden, Design Thinking, Rapid Prototyping und Open Innovation Ansätze zum Einsatz.