Regionale Rohstoffe für gesunde Backwaren

Hände halten Sonnenblumenkerne
Sonnenblumenöl, bei dem die Kerne vor dem Pressen geschält werden, kann ein Ersatz für das umstrittene Palmöl sein © Ölmühle Raab
Thomas Raab von der Öl Mühle Raab hält zwei Biospeiseölflaschen in der Hand
Thomas Raab von der Öl Mühle Raab. Das Familienunternehmen aus dem Eferdinger Becken produziert hochwertiges Biospeiseöl © Ölmühle Raab
Naturbäcker Martin Bräuer in seiner Backstube
Naturbäcker Martin Bräuer betreibt drei Filialen im Mühlviertel © Bräuer
Naturbäcker Martin Bräuer hält auf einem Holzbrett sein Kekssortiment
Die Projektgruppe will auch spezielle Rezepturen für Martin Bräuers Kekssortiment entwickeln. Anstelle von Palmfett soll Sonnenblumenöl zum Einsatz kommen © Bräuer
Lukas Josef Knoll, Geschäftsführer der Knollmühle GmbH
Lukas Josef Knoll, Geschäftsführer der Knollmühle GmbH. Das Unternehmen aus St. Georgen an der Gusen produziert hochwertige Mehle und Backzutaten © Knollmühle
Christian Stadler Geschäftsführer der Morgentau Biogemüse GmbH steht in einem seiner Morgentaugärten
Christian Stadler, Geschäftsführer der Morgentau Biogemüse GmbH, züchtet in seinen Morgentaugärten mehr als 400 verschiedene Biogemüsesorten © MORGENTAU/Puerstinger
Othmar Höglinger, Leiter des Studiengangs Lebensmitteltechnologie und Ernährung am FH OÖ – Campus Wels
Othmar Höglinger leitet den Studiengang Lebensmitteltechnologie und Ernährung am FH OÖ – Campus Wels © FH OÖ

09.11.2021

Farbstoffe, Geschmacksverstärker oder Konservierungsstoffe – die Liste an Lebensmittelzusätzen ist lang. Viele davon sollen die Haltbarkeit und konstante Qualität der Nahrungsmittel positiv beeinflussen. Vier Unternehmen aus Oberösterreich versuchen nun gemeinsam mit dem FH OÖ Campus Wels, alternative, regionale Rohstoffe für die Backindustrie zu entwickeln, die einen ähnlichen Effekt erzielen und dabei das Endprodukt möglichst „natürlich“ belassen. Unterstützung erhalten die Projektpartner dabei vom Lebensmittel-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria.

Viele Konsument*innen haben die lange Liste an E-Nummern auf den Lebensmitteletiketten satt und achten beim Einkauf zunehmend auf Produkte aus natürlichen Rohstoffen. Allerdings bedarf es bei der Lebensmittelherstellung einer weitestgehend konstanten Rohstoffqualität, um auf die Zugabe künstlicher Zusatzstoffe verzichten zu können.

Verarbeitungsgrad – weniger ist mehr

Die Öl Mühle Raab KG aus Fraham, die Knollmühle GmbH aus St. Georgen an der Gusen, die Morgentau Biogemüse GmbH aus Hofkirchen im Traunkreis und die Mühlviertler Naturbäckerei Bräuer aus Reichenthal wollen gemeinsam mit dem Studiengang Lebensmitteltechnologie und Ernährung am FH OÖ Campus Wels in einem Forschungsprojekt regionale, veredelte Rohstoffe entwickeln, die eine möglichst geringe Verarbeitungstiefe besitzen und trotzdem eine konstante Qualität aufweisen. So bleiben außerdem nicht nur wertvolle Vitamine und Nährstoffe erhalten, es fallen im Produktionsprozess auch weniger Abfälle an. Das wiederum führt zu einer verbesserten CO2-Bilanz. „Ein wesentliches Ziel des Studienganges Lebensmitteltechnologie und Ernährung ist es, Produktionsverfahren zu entwickeln, die möglichst umweltschonend sind und zu einer optimalen Ernährung beitragen“, erklärt FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Otmar Höglinger.

Positive Auswirkungen auf Gesundheit

In fünf kleineren Teilprojekten startet die Projektgruppe nun mit der Umsetzung. Zunächst gilt es herauszufinden, ob die verschiedenen Backwaren auch tatsächlich mit den geplanten neuen Rohstoffen hergestellt werden können und welche technologischen Verfahren es dafür benötigt. Und schließlich soll auch noch untersucht werden, ob und wie die neuen Rohstoffe die Gesundheit positiv beeinflussen und möglichen Erkrankungen vorbeugen können.

Mehl mit fermentierten Keimlingen

In der Backwarenindustrie kommen oft Enzympräparate zum Einsatz, die biotechnologisch oder gentechnologisch aus Bakterien und Pilzen gewonnen werden. Die Enzyme beschleunigen die Gärzeit, verbessern die Krustenrösche und erhöhen das Gebäckvolumen. In den letzten Jahren geht die Industrie jedoch wieder vermehrt zurück zu natürlichen Hilfsstoffen wie etwa Malzmehlen aus gekeimtem Getreide, die größere Mengen dieser Enzyme enthalten. Die Naturbäckerei Bräuer und die Knollmühle wollen gemeinsam mit der FH OÖ einen neuen Weg erkunden: Anstelle von Malzmehlen sollen fermentierte Weizenkeimlinge zum Einsatz kommen. Diese Keimlinge stammen nicht aus einem Keimprozess, sondern werden im Mahlprozess direkt abgetrennt und dem Mehl beigegeben.

Mit Weizenkleie gegen Diabetes und Darmerkrankungen

Weizenkleie entsteht als Nebenprodukt beim Mahlen von Weizen zu Weißmehl. Sie wirkt nachweislich gesundheitsfördernd bei Diabetes, Gefäßerkrankungen, Reizdarmsyndrom und anderen Magen-Darm-Erkrankungen. Je nach Produktionsverfahren variiert die Qualität von Weizenkleie jedoch erheblich. Deshalb wollen die Projektpartner Knollmühle, Naturbäckerei Bräuer und die FH OÖ das Produktionsverfahren überarbeiten, um ernährungsphysiologisch gesehen die optimale Kleie zu erhalten. Ziel wäre, eine entsprechende Menge dieser Kleie verschiedenen Produkten wie z. B. Müslis zuzufügen, um deren Ballaststoffanteil zu erhöhen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gibt hier nämlich einen klaren Richtwert vor – 25 Gramm pro Tag sind notwendig, um eine normale Darmfunktion bei Erwachsenen zu gewährleisten.

Optimal gepresstes Weizenkeimöl

Weizenkeimöl wird aus den winzigen Keimen des Weizenkorns gewonnen. Die Öl Mühle Raab will gemeinsam mit der Knollmühle und der FH OÖ ein Kaltpressverfahren entwickeln, das eine optimale Ausbeute an hochwertigem Weizenkeimöl liefert. Der Pressrückstand – das sogenannte Kernmehl – soll als Lebensmittelzusatz wieder Verwendung finden.

Sonnenblumenöl statt Palmfett

In sehr vielen Backwaren wird Palmöl verwendet. Seit geraumer Zeit steigt jedoch der Wunsch nach Alternativen, da die ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Palmölproduktion von Konsument*innen zu Recht kritisch gesehen wird. Sonnenblumenöl kann in manchen Fällen ein Ersatz sein. Sein nussiger Eigengeschmack, der durch die Schalen der Sonnenblumenkerne entsteht, macht es jedoch für viele Produkte ungeeignet. Die Öl Mühle Raab, die Naturbäckerei Bräuer und die FH OÖ wollen deshalb ein Produktionsverfahren entwickeln, das die Sonnenblumenkerne vor dem Pressen schält. Auch andere Bearbeitungsmöglichkeiten wie das anschließende Abkühlen des Öls auf fünf bis acht Grad Celsius (Winterisierung) oder die Wasserdampfbehandlung werden im Projekt untersucht, um den nussigen Geschmack zu entfernen.

Rübenpüree als Zuckerersatz

Das am häufigsten verwendete Süßungsmittel ist der Haushaltszucker. In Österreich wird er in einem relativ energieintensiven Prozess aus heimischen Zuckerrüben gewonnen. Alternativen wie Agavendicksaft, Ahornsirup oder Kokosblütensirup haben den Nachteil, dass sie meist nicht aus regionalen Rohstoffen produziert werden. Morgentau Biogemüse forscht gemeinsam mit der Naturbäckerei Bräuer und der FH OÖ an einem Herstellverfahren für Rübenpüree, das den herkömmlichen Zucker in Backwaren ersetzen soll. Rübenpüree enthält viele wichtige Nährstoffe und lässt sich wesentlich umweltschonender und energieextensiver produzieren als Zucker. Und es punktet durch seine regionale Verfügbarkeit.

Regionales Netzwerk aufbauen

Nahezu alle Produkte reisen, bis sie fertig bei den Konsument*innen ankommen. Manche sogar um die halbe Welt. Sie alle hinterlassen dabei zwangsläufig einen ökologischen Fußabdruck. Für den Schutz und Erhalt der Umwelt bedarf es mehr regionaler Rohstoffe und kurzer Lieferketten. Die Projektpartner wollen mit ihrer Arbeit im Projekt einen Beitrag dazu leisten und ein regionales Netzwerk aufbauen, das Rohstofferzeuger und Produzenten miteinander verbindet. „In einer Zeit, in der die Menschen stark industriell verarbeitete Produkte immer kritischer sehen und zunehmend eine ‚Back to the Roots‘-Mentalität vorherrscht, haben die Unternehmen die Chance, sich als regionales Netzwerk am Markt zu positionieren“, ist DI Heidrun Hochreiter, Managerin des Lebensmittel-Clusters, überzeugt.


Dieses Projekt wird aus Mitteln der oö. Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 vom Land OÖ gefördert.

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