16.12.2020
Woher kommen Mehl, Eier oder andere Zutaten, die – in österreichischen Lebensmitteln verarbeitet – in unseren Einkaufswägen landen? Darüber herrschte bis vor kurzem noch große Intransparenz. Mit 1. April 2020 trat europaweit die Durchführungsverordnung zur Kennzeichnung von Primärzutaten gem. Art. 26 Abs. 3 LMIV in Kraft. Sie schreibt vor, dass die Herkunft der wesentlichen Zutaten, unter gewissen Umständen, angegeben werden muss. Wie diese neue Kennzeichnungspflicht den Konsument*innen mehr Transparenz beim Lebensmitteleinkauf verschaffen soll und was sie konkret für Produzent*innen bedeutet, darüber diskutierten Expert*innen bei einer Fachtagung des Lebensmittel-Clusters am 11. Dezember 2020. Zusätzlich gab es wissenswerte Informationen zur finalen Version des IFS Food Version 7.
Regionaler Ursprung und die Herkunft von Lebensmitteln sind für viele Kund*innen wichtige Argumente beim Kauf. Der Großteil will wissen, woher die Rohstoffe kommen, die letztlich auf ihrem Teller landen. Doch wie muss die neue Herkunftskennzeichnung aussehen? Gleich vorweg: Der Aufdruck von Österreich-Flaggen oder Alpenlandschaften auf dem Etikett reicht freilich nicht aus. Der Lebensmittelrechtsexperte Dipl.-HLFL-Ing. Robert Mühlecker zeigte anhand zahlreicher Beispiele auf, wie die neuen rechtlichen Grundlagen in der betrieblichen Praxis umgesetzt werden können. Er räumte aber auch gleichzeitig ein, dass aus seiner Sicht noch so mancher Konflikt vorprogrammiert sei.
Die neue Durchführungsverordnung zur Kennzeichnung von Primärzutaten gem. Art. 26 Abs. 3 LMIV besagt, dass die Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes verpflichtend ist, wenn ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher*innen möglich wäre. Es besteht die Pflicht zu einer Klarstellung bzw. näheren Erklärung, wenn die Gesamtaufmachung eine Herkunft suggeriert, die nicht mit der tatsächlichen übereinstimmt. Dies betrifft die sogenannten „primären Zutaten“, also all jene Zutaten, die über 50 % dieses Lebensmittels ausmachen oder die man üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziiert: beispielsweise Tomaten in der Tomatensauce oder Erdbeeren im Erdbeerjoghurt. Ist nun ein Herkunftsort oder Ursprungsland eines Lebensmittels angeführt und nicht mit jenem der primären Zutaten ident, so muss dies angegeben werden, z.B. Österreichisches Kürbiskernöl mit Kernen aus Slowenien.
Geschützte Ursprungsbezeichnungen oder geschützte geografische Angaben wie z.B. Tiroler Speck (g.g.A.), sind wiederum ausgenommen. Geschützte geografische Bezeichnungen sind aber nur dann von der Herkunftskennzeichnung der primären Zutat ausgenommen, wenn weitere spezielle Hinweise auf diese geografische Herkunft – wie beispielsweise „aus dem Zillertal“ auf der Verpackung – unterbleiben. Auch Marken oder Eigennamen von Unternehmen, die geografische Herkunftsangaben enthalten, und handelsübliche Bezeichnungen, die eine geografische Angabe beinhalten und auf Rezepturen abstellen (Linzer Schnitte, Frankfurter, etc.) können vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sein. Eine freiwillige Herkunftsinformation – etwa durch den Titel (österreichischer Tilsiter) oder durch eine grafische Aufmachung (rot-weiß-rote Fahne) – führt automatisch wieder zur Herkunftskennzeichnungspflicht. Es muss in so einem Fall klargestellt werden, woher die Primärzutaten kommen. Gleiches gilt auch für „Made in Austria“, „aus Österreich“, „BIO-Austria“ oder vergleichbare Slogans. „Verpackt in Österreich“ löst wiederum keine Herkunftsbezeichnungspflicht aus.
Die Herkunft der primären Zutat kann vielfältig angegeben werden: beispielsweise durch „EU“ oder „Nicht-EU“, durch Angabe des Staates (auch mit Flagge möglich), einer Region oder geografischen Gebiets. Daneben gibt es zahlreiche Formvorschriften wie Mindestgröße oder die Abbildung im gleichen Sichtfeld. Alternativ kann auch angegeben werden, dass der primäre Rohstoff nicht aus dem Land der Herstellung des Lebensmittels kommt, z.B. „das Schweinefleisch stammt nicht aus Österreich“.
„Diese Beispiele und Handlungsanweisungen stellen nur einige wenige, aber wahrscheinlich die wichtigsten Faktoren der Durchführungsverordnung dar“, erklärt Mühlecker und ergänzt: „Für die Lebensmittelproduzent*innen empfiehlt sich in jedem Fall ein detaillierter Blick auf die Verordnung, um nicht Gefahr zu laufen, mit der Verpackung ein falsches Bild über die Herkunft der Produkte zu suggerieren.“
Am 6. Oktober 2020 trat die Version 7 des IFS – International Featured Standard – in Kraft. Der IFS umfasst derzeit sechs Standards, die für und von Beteiligten aus allen Teilen der Lieferkette entwickelt wurden und die den Anwender*innen bei der Umsetzung der lebensmittel- bzw. produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften helfen und ihnen zugleich einheitliche Vorgaben in Bezug auf Lebensmittel- bzw. Produktsicherheit und Qualität geben. Eine IFS Zertifizierung zeigt, dass das zertifizierte Unternehmen Prozesse etabliert hat, die zur Sicherstellung der Lebensmittel- bzw. Produktsicherheit geeignet sind.
Robert Mühlecker ging im zweiten Teil der Veranstaltung auf die wichtigsten Neuerungen ein. Konkret betrifft dies die Bereiche Lebensmittelsicherheits- und Qualitätsmanagementsysteme, das Ressourcenmanagement, die operativen Abläufe, Messungen, Analysen und Verbesserungen, Produktschutzmaßnahmen und Unternehmensführung und -verpflichtung von Betrieben.
Momentan bekannte Audits werden zu Assessments, bei denen Auditor*innen in Zukunft mehr Zeit in den Unternehmen und somit auch in den Produktionsstätten verbringen werden. Die Betriebsbegehung wird künftig einen wichtigen Teil bei der Beurteilung einnehmen. Jedes dritte Assessment muss unangekündigt durchgeführt werden. Neu bzw. intensiviert durchgeführt wird die Kontrolle und Prüfung von ausgelagerten Prozessen, von Lieferdienstleistungen ohne IFS-Zertifizierung, der Integration einer Kultur der Lebensmittelsicherheit in die Unternehmenspolitik, der Optimierung in der Schädlingsbekämpfung, eine Ergänzung der HACCP-Gefahrenanalyse sowie bei dem Thema Food Fraud und Food Defense. Assessments nach IFS Food Version 7 können ab dem 1. März 2021 durchgeführt werden. Die Umsetzung für alle zertifizierten Unternehmen ist jedenfalls ab dem 1. Juli 2021 verpflichtend.
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