EU-Lieferkettengesetz

Gastbeitrag von Lotte Schatzlmaier, HE/LO CONSULTING GmbH

Lager mit Regalen und Kisten
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20.02.2024

Am 14.12.2023 haben sich EU-Rat und EU-Parlament politisch über den von der EU-Kommission im Februar 2022 vorgeschlagenen Entwurf einer Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive „CSDDD“ bzw. „CS3D“)1) geeinigt. Welche Verpflichtungen Ihr Unternehmen treffen werden und wie sie sich darauf vorbereiten können, erfahren Sie im vorliegenden Fachbeitrag. 

Der europäische Gesetzgeber hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet.2) Das übergeordnete Ziel ist es, Unternehmen zu einer Änderung ihrer Strategie hin zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Dies geschieht über die verpflichtende Offenlegung von nicht-finanziellen Informationen, damit Kapitalgeber die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen beurteilen und ihre Finanzierungskonditionen entsprechend davon abhängig machen können („Green Deal“). In der Regel bezieht sich die Berichterstattung auf drei Säulen, die unter dem Begriff „ESG“ (Environmental Social Governance) zusammengefasst werden, so auch beim Lieferkettengesetz. 


Anwendungsbereich und Inhalt der CS3D 

Vom unmittelbaren Anwendungsbereich der CS3D sind folgende Unternehmen mit Sitz in der EU erfasst: 3)

Inhaltlich Zeitlich 
Gruppe 1: mehr als 500 Beschäftigte UND mehr als 150 Mio. EUR Netto-Umsatz weltweit 2 Jahre nach Inkrafttreten 
Gruppe 2: mehr als 250 Beschäftigte UND mehr als 40 Mio. EUR Netto-Umsatz, wenn EUR 20 Mio. davon in einem Hochrisikosektor 4) erwirtschaftet werden 4 Jahre nach Inkrafttreten 


Zu beachten ist, dass Unternehmen, die nicht direkt in den Anwendungsbereich der CS3D fallen, trotzdem indirekt – zum Beispiel als Zulieferer von größeren Unternehmen – betroffen sein können, indem sie ihren Kunden bestimmte Nachweise und Auskünfte liefern müssen. 5)

Die nach der CS3D zu erfüllenden Sorgfaltspflichten drehen sich um Menschenrechte und Umweltaspekte. Diese sind entlang der gesamten Wertschöpfungskette einzuhalten, um tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen der Geschäftstätigkeit zu ermitteln (Art 6) 6), zu verhindern (Art 7 sieht neben der vertraglichen Überbindung der Sorgfaltspflichten auf Partner, eine Pflicht zur Tätigung von Investitionen vor sowie die Pflicht zur Beendigung von Vertragsbeziehungen), zu mindern (Art 8) und darüber zu berichten (Art 11).  

Inhaltlich speist sich die CS3D aus bereits geltenden Normen und Regelungen, die menschenrechtsbezogene und umweltbezogene Risiken adressieren (siehe dazu den Anhang des Richtlinienentwurfs), wie bspw. die UN-Menschenrechtskonvention, die Kernarbeitsnormen der ILO (International Labour Organisation) sowie bestimmte Umweltübereinkommen. 7)

Neu ist der Umfang der Geschäftsbeziehungen, die auf Sorgfaltsrisiken überprüft werden müssen („Wertschöpfungskette“, Art 3 lit a). Betroffen sind nicht nur unmittelbare Zulieferer, sondern auch deren Zulieferer sowie Nutzer und Betroffene von Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens. 8)

Neben den Pflichten in Bezug auf den Umgang mit Risiken, sind darüber hinaus folgende Vorgaben wesentlich: 

Strategie (Art 5)

  • Verankerung der Due Diligence Strategie in der Unternehmensstrategie
  • jährliche Überprüfung der Risiken mit nachteiligen Auswirkungen

Klimawandel (Art 15)

  • Umsetzung eines Übergangsplans zur Erreichung des Pariser 1,5 Grad Zieles in der Wertschöpfungskette (Gruppe 1 Unternehmen) 
  • Kopplung der variablen Vergnütung der Unternehmensleitung daran

Compliance (Art 9)

  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, das auch für (potenziell) Betroffene, Gewerkschaften, NGOs etc. in der Wertschöpfungskette offen ist

Zu erwähnen sind darüber hinaus die vorgesehenen Geldbußen und die zivilrechtliche Haftung bei Zuwiderhandeln (bis zu 5% des Umsatzes) sowie die Schutzbestimmungen für KMU, die indirekt von der CS3D betroffen sind (Fairness, Angemessenheit und Nichtdiskriminierung bei vertraglichen Zusicherungen, Regelung zur Kostentragung zB. bei Audits). 


Implementierung im Unternehmen 

Bei Umsetzung der CS3D empfiehlt es sich, die etablierten Risikomanagement-, Compliance- und Reportingsysteme im Unternehmens zu nutzen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung ist der Dialog - sowohl mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette (Produzenten, Zulieferer, Stakeholder…) als auch zwischen den Abteilungen im Unternehmen (Einkauf, Risikomanagement, Compliance, IT, Nachhaltigkeit etc.) 

Für ein stufenweises Vorgehen ist zunächst eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschäftsmodell (Beschaffungsstrukturen, Umfeld...) essenziell, um eine direkte oder indirekte Betroffenheit festzustellen (Größe, Hochrisikosektor, Umsatz) und Risiken zu identifizieren. Zur Ermittlung der Risiken empfehlen sich externe Informationen wie Länderberichte, Statistiken (zB. der ILO, OECD…), Zeitungsberichte und interne Informationen wie Beschwerden aus dem eigenen Beschwerdemanagementsystem 9), Compliance Vorfälle, Lieferantenaudits von Branchenverbänden etc. Parallel dazu sollte zur Identifizierung von Gaps eine Bestandsaufnahme im Unternehmen erfolgen: 

Welche Sorgfaltsrisiken werden bereits in Code of Conducts, Vertragsbedingungen mit Zulieferern (AGBs), ISO-Zertifizierungen und dergleichen angesprochen? 

Bevor konkrete Maßnahmen abgeleitet werden können, ist eine Priorisierung und Gewichtung der identifizierten Risiken erforderlich. Dies kann mittels bewährter Systeme (zB. Risiko-Heat-Map) erfolgen. Ebenso sollten Prozesse und Verantwortlichkeiten in der Organisation definiert sein, bevor Wissen aufgebaut und an der inhaltlichen Umsetzung der CS3D gearbeitet wird. Anschließend können konkrete Maßnahmen abgeleitet werden. Diese können von Schulungen und Ausbildungen (intern und entlang der Wertschöpfungskette) über die Durchführung von Audits, die Durchsetzung von Vertragskaskaden und darüber hinaus reichen. Die Kosten der Vorbereitungen und Maßnahmen sollten – analog zu anderen Projekten - Eingang in die Budgetierung finden. Die Qualität der Maßnahmen ist regelmäßig zu überprüfen – entfalten diese die angestrebte Wirkung, oder sind weitere Investitionen oder die Beendigung von Vertragsbeziehungen erforderlich? In einem letzten Schritt wird über diesen Prozess und dessen Ergebnisse im nicht finanziellen Teil des Lageberichts Rechenschaft abgelegt.  

Synergien können im Rahmen der Berichterstattung nach EU-Taxonomie und CSRD genutzt werden in Bezug auf die Risikoanalyse (inside out sowie outside-in Perspektive) sowie die Implementierung von Managementsystemen. 


Fazit 

Die CS3D bedeutet für Unternehmen auf der einen Seite eine erhebliche Erweiterung des bisherigen Risikomanagements. Auf der anderen Seite bedeutet eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Risiken entlang der Wertschöpfungskette eine raschere Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen sowie einen Shift zu mehr Proaktivität. Das Gegenteil von Risiko ist die Chance. Diese ist im Kontext CS3D nicht zuletzt bei der Positionierung als attraktiver Arbeitgeber sowie der Vermeidung von Green Washing gegeben.  
 

„Trotz der politischen Einigung über die CS3D vom Dezember 2023, wurde die für 09. Februar geplante Abstimmung darüber aufgrund der geplanten Enthaltungen (Österreich, Deutschland) vertagt. Ob und wann sich die Mitgliedsstaaten einigen werden, war zum Zeitpunkt der Erstellung des vorliegenden Artikels noch offen“, erklärt Lotte Schatzlmaier, Gesellschafter-Geschäftsführerin von HE/LO CONSULTING GmbH.


Praxistipp

Das deutsche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat für die Umsetzung des deutschen LkSG diverse Handreichungen veröffentlicht. Diese sind zwar nicht 1:1 umlegbar auf die CS3D Implementierung, aber dennoch hilfreich bei der Adressierung und Überprüfung von Risiken sowie der Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette, vor allem im Hinblick auf die Herausforderungen für KMU (Schutzbestimmungen).  

https://www.bafa.de/DE/Home/home_node.html 


Zur Autorin 

Dr. Lotte Schatzlmaier ist Gesellschafter-Geschäftsführerin von HE/LO CONSULTING GmbH mit Sitz in Ried im Innkreis. Ihre Beratungsschwerpunkte umfassen ESG und CSR Consulting mit dem Fokus auf die nutzenstiftende Umsetzung der Regulatorik sowie Organisationentwicklung. Darüber hinaus ist sie Beraterin im Rahmen der Impulsberatung für Betriebe. Ihre Kunden sind KMU und Banken. 

+43 664 918 5984 
lotte.schatzlmaier@he-lo.at 
www.he-lo.at 
https://www.linkedin.com/in/lotte-schatzlmaier-03054bb0/   
https://www.ams.at/unternehmen/personal--und-organisationsentwicklung/impulsberatung-fuer-betriebe    


Quellen: 

1) Siehe Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23.02.2022, COM(2022) 71 final, 2022/0051(COD) ; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:52022PC0071  

2) Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSRD, RL (EU) 2022/2464, Abl. L 322/15), Taxonomie Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852, Abl. L 198/13), Non Financial Disclosure Regulation (NFRD, RL (EU) 2014/95, Abl. L 330/1)… 

3) Unternehmen aus Drittstaaten sind ebenso betroffen bei Überschreitung bestimmter Umsatzgrenzen innerhalb der EU.

4) Als Hochrisikosektoren gelten die Textil- und Lederindustrie, Land- und Forstwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion, Gewinnung von Rohstoffen, Verarbeitung von metallischen und nicht-metallischen Erzeugnissen sowie der Großhandel mit mineralischen Rohstoffen. 

5) So wie es bereits für einen österreichischen Zulieferer nach Deutschland unter dem dort seit 01.01.2023 geltenden Lieferketten- und Sorgfaltspflichten Gesetz (LkSG) der Fall sein kann.   

6) Die Verweise auf einzelne Artikel (Art) beziehen sich auf den Entwurf der CS3D 

7) Zu den menschenrechtsbezogenen Risiken zählen u.a. Kinderarbeit, Missachtung der Arbeitssicherheit, Zwangsarbeit und Sklaverei, Diskriminierung, Missbrauch von privaten oder öffentlichen Sicherheitskräften, rechtswidrige Enteignung, Missachtung der Versammlungsfreiheit, Verweigerung eines angemessenen Lohns; Umweltbezogene Risiken beziehen sich auf den Klimawandel, den Verlust der biologischen Vielfalt, Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden, Abholzung, schädliche Abfallerzeugung und falsche Abfallentsorgung, Verwendung von Schadstoffen, übermäßiger Verbrauch von natürlichen Ressourcen, Verschlechterung von Ökosystemen (Land, Meer, Süßwasser) 

8) Somit beinhalten die Verpflichtungen zur Sorgfalt neben der Produktion auch die Lieferung, Lagerung, den Transport, das Design und den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen. Vgl. https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20231205IPR15689/corporate-due-diligence-rules-agreed-to-safeguard-human-rights-and-environment  

9) Verpflichtungen dazu ergeben sich nicht zuletzt aus dem HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG, BGBl. I Nr. 6/2023)