Getreidetechnologie neu gedacht

Am Getreidetechnologietag nahmen rund 60 Interessierte aus Forschung und Wirtschaft sowie junge Menschen in der Ausbildung teil
Am Getreidetechnologietag nahmen rund 60 Interessierte aus Forschung und Wirtschaft sowie junge Menschen in der Ausbildung teil © Business Upper Austria
Schülerinnen und Schüler der HTL für Lebensmitteltechnologie brachten Kostproben ihrer Produkte aus Leguminosen mit
Schülerinnen und Schüler der HTL für Lebensmitteltechnologie brachten Kostproben ihrer Produkte aus Leguminosen mit © Business Upper Austria
Die Organisatoren des Getreidetechnologietages: Magdalena Resch (ecoplus), Christian Teufel (Business Upper Austria), Sigrid Meischl (ecoplus) und Gisela Wenger-Oehn (HTL LMT Wels)
Die Organisatoren des Getreidetechnologietages: Magdalena Resch (ecoplus), Christian Teufel (Business Upper Austria), Sigrid Meischl (ecoplus) und Gisela Wenger-Oehn (HTL LMT Wels) © Business Upper Austria

19.03.2024

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen und eine regionale Kreislaufwirtschaft sind Forderungen, die immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten stellen. Innovative Lösungen sind daher auch in der Backwarenbranche gefragt. Gleichzeitig gilt es, das traditionelle Handwerk zu erhalten. Genau mit diesem Balanceakt beschäftigten sich die Expertinnen und Experten am 6. März beim Getreidetechnologietag 2024 an der FH OÖ Campus Wels. Der Lebensmittel-Cluster Oberösterreich organisierte die Veranstaltung gemeinsam mit dem Lebensmittel Cluster Niederösterreich sowie der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels.

Gisela Wenger-Oehn, die Direktorin der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels, führte durch das Programm und betonte: „Nachhaltige Trends sind gekommen, um zu bleiben. Innovationen werden die traditionellen, handwerklichen Techniken unterstützen.“

Mehr als „nur“ Tierfutter

Katrin Mathmann und Bettina Zieher, beide Professorinnen für Lebensmitteltechnologie an der Fachhochschule Oberösterreich, gaben Einblicke in das Kooperationsprojekt „SUN – Gewinnung von Proteinen aus Ölpresskuchen“. Ziel dabei ist es, Sonnenblumenölpresskuchen nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen verwertbar zu machen – und zwar mit einem minimalen Einsatz von Ressourcen sowie lebensmitteltechnologischen Verfahren wie der Membranfiltertechnologie.

„Die innovative Zutat aus Restoffen kann auf natürliche Art den Eiweißgehalt der Backwaren erhöhen, die Backeigenschaften verbessern und zu einer nachhaltigen Herstellung beitragen“, sind sich die Forscherinnen einig.

Vom Windringerl bis zum Okara-Nugget

Schülerinnen und Schüler der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels entwickelten Produkte aus Hülsenfrüchten (Leguminosen) – angefangen von veganen Windringen über Pralinenfüllungen bis zu Okara-Nuggets.

Ursula Führer, die das Projekt mitbetreut, sieht in Leguminosen großes Potenzial: „Sie überzeugen durch ihren hohen Proteinanteil und werden von Menschen gut verwertet. Eine pflanzenbasierte Ernährung mit genügend Proteinen ist daher möglich.“


Glutenfrei und nährstoffreich

Mit ihrer Mari Ernährungskonzepte GmbH konzentrieren sich die Gründerinnen Ria Lang und Martina Moik auf die Entwicklung von gluten- und weizenfreien Bio-Backmischungen ohne Zusatzstoffe. Sie sind außerdem Projektpartnerinnen im FFG-Innovationscamp „Versorghum“, das sich mit Sorghum als alternative Getreidefrucht für Back- und Teigwaren beschäftigt. Als Projektkoordinatorin fungiert dabei die Universität für Bodenkultur (BOKU), die auch im Projekt „CLIC - Climate-smart grain crops“ Sorghum untersucht.

Regine Schönlechner vom Department für Lebensmittelwissenschaften und -technologie ist von den hitzetoleranten Getreidesorte überzeugt: „Die Zusammensetzung ist es genauso gut wie andere Getreidearten. Sorghum hat einen hohen Gehalt an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, die einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben.“


Grüne Gentechnik

Ebenfalls am Projekt „CLIC“ beteiligt ist Lisa Call vom Institut für Pflanzenzüchtung der BOKU. Sie setzt sich außerdem intensiv mit Grüner Gentechnik auseinander.

„Unsere heutigen Kulturpflanzen sehen anders aus als früher. Genetische Veränderungen kommen auch in der Natur vor. Nichtsdestotrotz belasten starkes Bevölkerungswachstum und die Effekte des Klimawandels die Ernährungssicherheit und Artenvielfalt. Da sind die Erkenntnisse aus der Forschung unabdingbar“, erklärt die Universitätsprofessorin.

Grüne Gentechnik kann zur Gewährleistung der Ernährungssicherung und für ein effizientes, nachhaltiges Produktionssystem bei den Herausforderungen in der Landwirtschaft unterstützen. Beispiele für die erfolgreiche Anwendung sind die Züchtung von glutenfreiem Weizen oder die Allergiereduktion bei Erdnüssen.


Getreide zertifizieren

Der Leiter der Abteilung Pflanzenbau in der Landwirtschaftskammer OÖ Helmut Feitzlmayr stellte die Neuerungen bei der AMA-Zertifizierung von Getreide vor. Er ist mit seinem Team für Pflanzenschutz, Boden- und Wasserschutz, Obst-, Gemüse- und Weinbau sowie Ackerbau verantwortlich.

Und er richtete einen Appell an die Ackerbäuerinnen und -bauern, am AMA-Gütesiegel teilzunehmen: „Das ist eine Chance, sich vom internationalen Rohstoffmarkt abzuheben. Zwar lässt sich das Gütesiegel nicht über Nacht einfordern, 80 Prozent der österreichischen Landwirtinnen und Landwirte erfüllen allerdings bereits die Anforderungen für das Gütesiegel im Ackerbau.“


Der bloggende Bäckermeister

Seit fast zehn Jahren betreibt Dietmar Kappl den „Homebaking Blog“. Er ist allerdings nicht nur Blogger, sondern auch Bäckermeister und Produktionsleiter bei Reichl Brot in St. Marien.

„Brot hat sich immer mehr zum Genussmittel entwickelt. Der Blog spiegelt das wider und hat Reichl Brot neue Kundinnen und Kunden beschert“, erzählte Kappl und wies darauf, dass sich innovative Ansätze in mehrerlei Hinsicht bezahlt machen: „Reichl Brot hat als eine der ersten Bäckereien die Langzeitkühlung eingeführt. Viele andere aus der Branche haben das damals belächelt. Wir sind aber sehr glücklich damit und haben daraus unser Markenzeichen geschaffen.“

Zurück zum Blog: Den verwendet Dietmar Kappl als Spielwiese für eigene und von der Community vorgeschlagene Backideen, die er Brotbegeisterten auch bei international gefragten Backkursen weitergibt.


Die Backbranche als Arbeitgeber

In einer Gesprächsrunde diskutierten Arbeitsmarktexperten, Lehrlingsbeauftragte, Absolventen und junge Menschen, die sich für einen Beruf in der Backwarenbranche entschieden haben, über Motivation, Erwartungen, Potenziale und Verbesserungsmöglichkeiten.

Harald Schürz, Herstellungsleiter bei Recheis Teigwaren, wies beispielsweise darauf hin, dass Job Rotation und flexible Arbeitszeiten in der Produktion nicht immer möglich sind, und ergänzte: „Junge Menschen legen oft mehr Wert auf die Freizeitgestaltung und sind auch mit weniger Wochenstunden und Lohn zufrieden.“

Einig war man sich darüber, dass es heute herausfordernder ist, Arbeitskräfte zu bekommen als noch vor einigen Jahren.


Impulsgeber

Alle zwei Jahre stehen bei diesem Branchentreffen aktuelle und zukunftsträchtige Themen im Zentrum. Forschende und Praktiker:innen zeigen, wie in Zukunft unsere Lebensmittel wertschöpfend und nachhaltig vom Feld bis ins Körberl kommen.

„Der Getreidetechnologietag hat auch heuer wieder wichtige Impulse gesetzt“, bringen es Christian Teufel (Lebensmittel-Cluster OÖ) und Sigrid Meischl (ecoplus Lebensmittel Cluster NÖ) auf den Punkt.