Getreidetechnologietag: Innovativ und nachhaltig in die Zukunft

Zwei Hände mit Getreide
Getreidetechnologietag – Backwarentradition für die Zukunft © AdobeStock/Chepko Danil
Sigrid Meischl, Projektmanagerin im Lebensmittel Cluster Niederösterreich, verkostete aus Lupinenmehl gebackene Brownies
Sigrid Meischl, Projektmanagerin im Lebensmittel Cluster Niederösterreich, verkostete aus Lupinenmehl gebackene Brownies © Business Upper Austria
Mit Lupinenmehl gebackene Brownies konnten am Getreidetechnologietag verkostet werden
Mit Lupinenmehl gebackene Brownies konnten am Getreidetechnologietag verkostet werden © Business Upper Austria
Michael Beitl von Kern Tec verarbeitet Obstkerne zu Öl, Mehl, Aufstrichen oder Nussalternativen
Michael Beitl von Kern Tec verarbeitet Obstkerne zu Öl, Mehl, Aufstrichen oder Nussalternativen © Business Upper Austria

30.03.2022

Klimawandel sowie der vermehrte Wunsch von Konsumentinnen und Konsumenten nach gesunden und zugleich umweltfreundlichen Lebensmitteln stellen die Backwarenbranche vor Herausforderungen. Mögliche Lösungen sind alternative Pflanzen, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung. Darüber diskutierten Expertinnen und Experten beim Getreidetechnologietag am 23. März an der FH Oberösterreich Campus Wels. 40 Interessierte waren der Einladung der Lebensmittel-Cluster Ober- und Niederösterreich sowie der HTL für Lebensmitteltechnologie Wels zu den Vorträgen und Workshops gefolgt.

Das Institut für Lebensmitteltechnologie und Ernährung der Fachhochschule Wels forscht unter anderem mit der schwarzen Soldatenfliege als Rohstofflieferanten. Ihre Larven liefern hochwertiges Protein, Öl und verwertbares Substrat. Studiengangsleiter Otmar Höglinger schilderte, wie gemeinsam mit der Insektianer GmbH aus dem Protein nachhaltiges Aquakultur- und Tierfutter produziert wird:

„Auch das Öl ist vielseitig in der Kosmetik, Pharmaproduktion und Kraftstofferzeugung einsetzbar. Das Substrat wird zum hochwertigen Dünger. Gemeinsam forschen wir an der richtigen Roh- und Nährstoffzusammensetzung.“

Als Futterquelle für die Larven dienen organische Reststoffe wie Biomüll, Treber, Pilzmyzel oder Altbrot. So wird vermeintlicher Abfall in einen neuen Kreislauf eingeführt.


Effiziente Produktion

Auch das Reengineering von Prozessen in der Lebensmittelindustrie führt zu mehr Nachhaltigkeit. Höglinger berichtete von der Neugestaltung bestehender Prozessschritte in der Zuckerrübenverarbeitung mit Morgentau Biogemüse. Dabei wurden Produktionsschritte und Abfallströme deutlich reduziert. Das entstandene Zuckerrübenpüree und Zuckerrübenpulver ist vielseitig einsatzfähig, das haben z. B. praktische und sensorische Tests von Süßgebäck (Croissant, Kipferl, Brioche) gezeigt.


Mit Körnerhirse dem Klimawandel begegnen

An der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien setzen die Forscher auf Sorghum gegen Klimasorgen. Sorghum ist eine trocken- und hitzeresistente Getreideart, die in Österreich aufgrund der runden Kornform und der Verwendbarkeit als Körnerhirse bezeichnet wird.

„Sorghum hat im Zeichen des Klimawandels großes Zukunftspotenzial. Für die Landwirtschaft liegen die Hektarerträge auf kargen sandigen Böden deutlich über dem des Weizens. Im FFG-Branchenprojekt ‚Klimatech‘ wurde die Mahlfähigkeit und Backfähigkeit bei Zumischung zu Weizenmehlen bestätigt. Besonders bei Feinbackwaren wurden Qualitäten erzielt, die hohen Ansprüchen gerecht werden“, betonte Alfred Mar vom Institut für Lebensmitteltechnologie.

Weltweit betrachtet ist die Körnerhirse das am fünftmeisten produzierte Getreide. In Österreich soll sie den Weizen nicht verdrängen, sondern als ergänzende Zutat die gewohnten Teig- und Backeigenschaften erhalten.


Glutenfrei backen mit der Lupine

Über das ungeahnte Potenzial der Körnerfrucht Lupine informierte Heinz Oberndorfer von der Welser HTL für Lebensmitteltechnologie. Die Lupine wurde früher auch „Wolfsblume“ genannt, weil man ihr bodennährstoffraubende Attribute nachsagte.

„Doch eigentlich ist der Schmetterlingsblütler sogar ein Bodenverbesserer, da dieser mit Hilfe von Knöllchenbakterien Luftstickstoff binden kann“, sagte Oberndorfer.

Heute wird sie oft als „Sojabohne aus dem Mühlviertel“ bezeichnet, da sie einen ähnlich hohen Eiweißgehalt bei geringerem Fettanteil besitzt.

„Dank intensiver Züchtung konnte der in den Lupinen vorkommende Alkaloid-Gehalt soweit reduziert werden, dass die Pflanze künftig für die menschliche Ernährung ein attraktiver Rohstoff sein kann“, ergänzte der Experte.

Die HTL für Lebensmitteltechnologie knackte die Lupinenbohne, presste sie und verarbeitete sie zu Mehl. Beim Verkosten von glutenfreien Brownies aus Lupinenmehl konnten sich die Teilnehmer:innen am Getreidetechnologietag vom Potenzial überzeugen.


Foodpreneurs geben Anregungen

Michael Beitl von Kern Tec stellte sein Geschäftsmodell vor. Obstkerne von Kirschen, Marillen und vielen anderen Kernobstsorten verarbeitet Kern Tec zu Öl, Mehl, Aufstrichen oder zum puren Produkt als nachhaltige Nussalternative.

„Neben dem nussigen Geschmack erreichen wir so auch immense Wassereinsparungen wie etwa bei der Bewirtschaftung von Mandelbäumen und einen deutlich reduzierten CO2-Fußabdruck“, schilderte der Gründer.

Die Teilnehmer:innen kosteten sich durchs Sortiment. Sandra Flammer setzt mit ihrer Marke „Kornelia Urkorn“ auf alte Getreidesorten und bietet diese als Frischteig, Vollkornmehl und Reis an.

„Wer auf Weizen verzichten möchte und auf bewusste und abwechslungsreiche Ernährung setzt, hat mit den Vorfahren unserer heutigen Getreidesorten wie zum Beispiel Einkorn eine echte Alternative“, sagte die Unternehmerin.

In der Diskussion wurde klar, dass Urkorn noch ein Nischenprodukt ist, die Nachfrage bei mehr Aufklärung der Konsument:innen aber steigen könnte.


Nachhaltiger Produktschutz

Die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln und Verpackungen steht aktuell im Zentrum nationaler und internationaler Forschung. Victoria Krauter vom FH Campus Wien gab einen Einblick in das richtungsweisende internationale COST-Netzwerkprojekt CIRCUL-A-BILITY, das unter anderem die aktuelle Situation bei Cerealien und Süßwaren beleuchtet.

„Eine nachhaltige Verpackung ist effektiv, effizient, zyklisch und sicher“, betonte die Forscherin.

Ihre Empfehlungen: Bereitstellen von Verpackungen mit hohem Verbrauchernutzen, richtig dimensionierte Portionen und das Vermeiden unnötiger Verpackungen.

„Auch die Materialwahl und das Verpackungsdesign sollten überdacht werden. Ich empfehle biobasierte und/oder biologisch abbaubaren Materialien sowie die Gestaltung von Verpackungen for Recycling und from Recycling“, ergänzte Krauter.


Optimierte Lieferkette durch digitale Routenplanung

Manuel Fasching von der FOTEC Forschungs- und Technologietransfer GmbH stellte zwei Apps vor, die im FFG-DI-HOST-Projekt „BonTour“ entwickelt wurden.

„Wir konnten einen Prototyp für die digitale Routenplanung der fahrenden Bäcker entwickeln. Die digitale Transformation von bestehenden Prozessen leistet künftig einen wichtigen Beitrag, um die Effizienz in der Auslieferung zu steigern“, ist Fasching überzeugt.

Mit der App für den Produzenten kann der Bäcker Verkaufstouren anlegen, den Touren die Fahrer und Fahrzeuge zuweisen, den aktuellen Standort der Verkaufsfahrzeuge anzeigen, mit den Fahrern Kontakt aufnehmen und erledigte Touren auswerten. Die Applikation für fahrende Verkäufer zeigt die Tour und jeden Stopp auf einer Karte an. Zu jedem Stopp werden zusätzliche Informationen eingeblendet wie z. B. nicht hupen, Vorsicht Hund oder beim Gartentor abstellen. Der Fahrer kann auch Zusatzinformationen zu einem Stopp hinzufügen. In Planung ist gerade eine App für Kund:innen.


Über den Getreidetechnologietag

Die Direktorin der HTL für Lebensmitteltechnologie, Gisela Wenger-Oehn, fasste die Veranstaltung zusammen:

„Der Getreidetechnologietag hat aufgrund der interessanten Vorträge und Präsentationen einen sehr guten Austausch in der Branche ermöglicht und zu spannenden Diskussionen angeregt. Ich denke, diese Veranstaltung vor Ort hat allen Beteiligten wieder sehr gutgetan. Künftige Projekte, Fragen und Antworten konnten im persönlichen Austausch direkt besprochen werden.“

Alle zwei Jahre stehen bei diesem Branchentreffen aktuelle und zukunftsträchtige Themen im Zentrum. Forschende und Praktiker:innen zeigen, wie in Zukunft unsere Lebensmittel wertschöpfend und nachhaltig vom Feld bis ins Körberl kommen. Moderne Verpackungen und Technologien, Start-ups und Produktideen spielen dabei genauso eine Rolle wie traditionelle und handwerkliche Techniken. Der Getreidetechnologietag ist eine Kooperationsveranstaltung des Lebensmittel-Clusters Oberösterreich, des Lebensmittel Clusters Niederösterreich und der HTLLMT Wels. Der nächste Getreidetechnologietag findet 2024 statt.