Krisenmanagement für Lebensmittelbetriebe

Risiko-Maßnahmen in Abhängigkeit von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. (Quelle: © RiskNET GmbH 2015)
Abbildung 1: Risiko-Maßnahmen in Abhängigkeit von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. (Quelle: © RiskNET GmbH 2015)

26.02.2019

Grundsätzlich ist der Grad der Lebensmittelsicherheit in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Nichtsdestotrotz sind diverse Lebensmittelskandale wie Fipronil, Pferdefleisch, Antibiotikarückstände, Dioxinbelastung und mikrobiologische Verunreinigungen durch Listerien, Salmonellen oder EHEC allgegenwärtig. Lesen Sie hier den Gastbeitrag von DIETZ Consulting e.U.

Die Zahl der Lebensmittelrückrufe ist in den letzten Jahren ebenfalls immer weiter angestiegen und das Portfolio der Rückrufgründe ist durch die Verschärfung der Lebensmittelgesetze auch ausgeweitet worden. Man denke an die Kennzeichnungsvorschriften der LMIV betreffend Allergene: Durch einen Blick auf die Ages Rückrufseite[1] wird schnell deutlich, wie oft Produkte dieser nicht entsprechen. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler und selbst das bestentwickelte HACCP System kann beim Zusammentreffen mehrerer Zufälle versagen. Daher ist ein effizientes Krisenmanagement für Betriebe, die Lebensmittel produzieren, transportieren oder damit handeln unerlässlich. Doch welche Bereiche umfasst ein gutes Krisenmanagement? Was sind die grundlegenden Elemente eines erfolgreichen Krisenmanagements? Diese Fragen sollen in diesem Artikel von DIETZ Consulting e.U. beantwortet werden.

Welche Bereiche umfasst Krisenmanagement?
„Krisenmanagement bedeutet Führung (Planung, Steuerung und Kontrolle) zur Vorsorge, Vermeidung und Bewältigung überlebenskritischer Prozesse in Unternehmungen.“[2]

Krisenmanagement ist also ein sehr weit gefasster Begriff, welcher laut Definition auch Risikomanagement inkludiert. Die allseits bekannte Risikomanagement-Methodik betreffend Lebensmittelsicherheit, welche auch gesetzlich verankert ist, ist die HACCP Methode (Hazard Analysis Critical Control Point, zu Deutsch: Risiko-Analyse kritischer Kontroll-Punkte). Diese fokussiert allerdings nur auf das Produkt und nicht auf das Unternehmen selbst. Aber auch andere Faktoren, wie Naturkatastrophen (z.B. Stromausfälle, Hochwasser, Brände, etc.), Hackerangriffe und andere böswillige Absichten (z.B. Erpressungsfälle), können die überlebenskritischen Prozesse eines Unternehmens gefährden. Hier spricht man auch von Business Continuity Management (BCM). Des Weiteren wirken generelle Bereiche wie finanzielle Krisen oder der immer mehr an Bedeutung gewinnende Fachkräftemangel auf überlebenswichtige Unternehmensprozesse. Nicht zuletzt kann die Thematik des Produktbetrugs (in den diversen International Featured Standards umfangreich aufgenommen und mit einer eigenen Guideline ausgestattet) überlebenskritisch für ein Unternehmen sein. Aus diesem Grund ist das Management der jeweiligen Betriebe gefordert, das Risikomanagement-System des Unternehmens nicht nur auf die Lebensmittelsicherheit und Produktebene zu beschränken, sondern um alle unternehmensrelevanten bzw. überlebenskritische Bereiche zu erweitern. Ein guter Ansatz dazu ist, sich mit den Anforderungen der Kapitel 4 (Kontext der Organisation) und 6.1 (Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen) aus der ISO 9001:2015 auseinander zu setzen.

Was sind die grundlegenden Elemente eines erfolgreichen Krisenmanagements?
Abbildung 1 zeigt grundsätzliche Maßnahmen, welche je nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß ergriffen werden können. Schlicht und einfach akzeptiert werden sollten Risiken mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit und einem potenziell geringem Schadensausmaß. Diese Risiken sollten durch die liquiden Reserven eines Unternehmens bewältigbar sein. Ein Frühwarnsystem sollte bei Risiken mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit und einem eher geringem Schadensausmaß eingerichtet werden, um frühzeitig Maßnahmen setzen zu können. Hier kann es sich zum Beispiel um die eingehend erwähnten Themen im Finanz- und Personalbereich handeln. Bei Szenarien im Bereich eines hohen bis schwerwiegenden Schadensausmaßes können vor allem Notfallpläne helfen, die Wirkungen des Risikoeintritts möglichst gering zu halten.[3]

Welche Maßnahmen können Unternehmen daher konkret ergreifen?

  • Definition eines multifunktionellen Krisenstabes inkl. externer Experten (z.B. Rechtsexperte)
  • Identifikation und Priorisierung der möglichen Szenarien (potenziellen Unternehmenskrisen)
  • Erarbeitung von Notfallplänen je Szenario
  • Überprüfung der Wirksamkeit (Krisentraining)
  • Einarbeitung der „lesson learned“
  • Zurück zu Schritt 2 Identifikation weiterer Szenarien


Erfahrungen aus der Praxis
Die größten Probleme in der Praxis sind:

  • Identifikation weiterer Krisenszenarien
    Es gilt daher nicht nur einen Notfallplan für Produktrückrufe in der Schublade zu haben, sondern auch Notfallpläne für weitere Szenarien zu erstellen. Diese sind abhängig von Standort, Ausstattung und unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen.
     
  • Wirksamkeitsprüfung der vorhandenen Notfallpläne
    Hier gilt, den Notfallplan unter so realen Bedingungen wie möglich zu testen. Eine Krise hält sich an keinen Terminplan. Daher gilt es zu prüfen, ob der Krisenstab auch verfügbar ist. Des Weiteren ist es notwendig, die interne und externe Kommunikation so real wie möglich durchzuführen. Telefonate sollten daher nicht nur hypothetisch geführt werden, Mitarbeiterversammlungen sollten real abgehalten werden und zwar umgehend. Und der definierte Krisensprecher sollte einem regelmäßigen Training unterzogen werden.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die erfolgreiche Bewältigung von Krisen von zwei wesentlichen Faktoren abhängt: der Identifikation möglicher Szenarien und der Erstellung, aber vor allem der regelmäßigen Überprüfung, von Krisenszenarien. Nicht umsonst gibt es immer wieder groß angelegte Katastrophenübungen der Hilfsorganisationen, denn der entscheidende Faktor ist eine gute und vor allem schnelle Kommunikation in der Krise.

[1] https://www.ages.at/produktwarnungen/produktkategorie/alle/2/
[2] https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/krisenmanagement-37353
[3] Vgl. (Huth & Romeike, 2016)

Literaturverzeichnis
Huth, M., & Romeike, F. (2016). Risikomanagement in der Logistik. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Kontakt
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Markus Klein, Junior Consultant Qualitätsmanagement
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