Lebensmittelmikrobiologie – ein andauerndes Spannungsthema

Die Mikrobiologie bleibt eines der herausfordernden Themen in der Lebensmittelsicherheit
Die Mikrobiologie bleibt eines der herausfordernden Themen in der Lebensmittelsicherheit © Sintija Valucka/Pixabay
Abb.1.: Managementsystem für LM-Sicherheit aus der Bekanntmachung der Kommission 2016/ C 278/01
Abb.1.: Managementsystem für LM-Sicherheit aus der Bekanntmachung der Kommission 2016/ C 278/01

26.03.2019

Gastbeitrag von Dr. Michael Stelzl, Institutsleiter Hygienicum, Graz
Belastungen von Lebensmitteln mit pathogenen Keimen zählen nach wie vor zu den bedeutendsten Risiken der Lebensmittelsicherheit. In vielen Bereichen konnten beachtliche Erfolge in der Eindämmung des Auftretens und der Erkrankungsfälle verzeichnet werden. Besonders bemerkenswert war der Rückgang an Salmonellose-Ausbrüchen von 2006 bis 2017 um 93 % (von 452 auf 31 Ausbrüche).

Dennoch stellten im Jahr 2017 Salmonellen wieder das häufigste Ausbruchs-Agens dar und verursachten 45 % aller Ausbrüche, an zweiter Stelle liegen Campylobacter mit 35 %; auch die Anzahl an Campylobacteriose-Ausbrüchen (2006: 137 Ausbrüche) hat sich bis 2017 sehr stark reduziert (n = 24). Im Jahr 2017 wurden noch Ausbrüche durch VTEC (fünf Ausbrüche), Noroviren, Botulismus-Toxin B und L. monocytogenes (je zwei) sowie je einer durch enteropathogene E. coli, Hepatitis A-Virus und Salmonella paratyphi A ausgelöst (Zoonosebericht 2017).

Die Betrachtung einzelner Erkrankungsfälle spricht dennoch eine andere Sprache. Im Jahr 2017 wurden 7.201 laborbestätigte Cam­pylobacteriosen gemeldet (EMS/NRZ-C, Stand 31.01.2018). Damit bleibt die Campylobacteriose mit einer Inzidenz von 82/100.000 EinwohnerInnen die häufigste gemeldete bakterielle Lebensmittelver­giftung in Österreich. Der stete Anstieg an gemeldeten humanen Campylobacteriosen erreichte im Jahr 2017 den bisher höchsten Wert (Zoonosebricht 2017). Hingegen hat sich die Anzahl bei Salmonellosen von 2002 um 83 % reduziert. Dieser Rückgang der Salmonellosen beim Menschen wurde fast ausschließlich durch den Rückgang der S. Enter­itidis-Infektionen (2002: 7.459 Isolate; 2016: 671 Iso­late) erreicht. Im Jahr 2017 kam es jedoch zu einer Zunahme an Fällen, ohne dass ein großer lebensmittelbedingter Ausbruch dafür ursächlich gemacht werden konnte (Zoonosebericht 2017).

Weitere Themen, die in der Lebensmittelmikrobiologie zu vermehrten Sicherheitsrisiken führen, sind multiresistente Erreger wie ESBL und MRSA sowie Tetrazyklin- und Fluorochinonresistenzen bei Campylobacter (Aures Resistenzbericht 2017). Diese Diskussion ist längst von der Tierzucht auf Lebensmittel und deren Sicherheitsbewertung übergeschwappt.

Nicht zuletzt haben in einigen Bereichen (z.B. VTEC, Bacillus cereus) vertiefte Untersuchungsprogramme und Humanisolatstudien sowie der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn zu erhöhten Inzidenzzahlen bzw. einer geänderten Risikoeinstufung geführt. Auch die Tatsache, dass neue Schwerpunkte in der Lebensmitteanalytik gesetzt werden (Pathogene in pflanzlichen Lebensmitteln), führt zu einer oberflächlich betrachtet verschärften Risikosituation für pathogene Keime in Lebensmitteln.

Strategien:
Der strategische Ansatz in der Lebensmittelmikrobiologie wird spätestens seit dem Inkrafttreten des EU-Lebensmittelpakets 2006 im Zusammenspiel sämtlicher über die Lebensmittelkette verfügbaren Präventiv- und Steuerungsmaßnahmen gesetzt. Dieser reicht von der bäuerlichen Urproduktion (Tierzucht, Pflanzenanbau) über die primären Verarbeitungsstufen (Schlachtung, Ernte) und sekundären Verarbeitungsstufen der Produktion bis hin zu Managementaufgaben in der Risikokommunikation und Krisenbewältigung. Risikomanagementkonzepte wie HACCP wurden evaluiert und den übergreifenden strategischen Ansätzen angepasst (Bekanntmachung der Kommission 2016/ C 278/01).

Speziell in der Gefahren- und Risikomanagement Mikrobiologie liegen auf betrieblicher Seite noch einige Punkte vor, die einer Vertiefung in der Analyse von Faktoren und Prozessen bedürfen. Beispiele dafür sind die genaue (auf einzelne Keime) Bewertung von Rohstoffen unter Berücksichtigung der in der Vorkette vorhandenen Maßnahmen, die Validierung von Sicherheitsstufen im Herstellungsprozess sowie die Kenntnis rezepturbedingter Sicherheiten in Anlehnung an das Hürdenkonzept (pH-, aw-Wert, Konservierungen, modifizierte Atmosphären etc.). In Bezug auf die innerbetriebliche Rekontamination ist die Einführung, Bewertung, Validierung und laufende Verifizierung von PRPs (prärequisite programms PRP) noch ein wesentlicher Weiterentwicklungsschritt.

Forschung:  
In vielen Bereichen der Mikrobiologie sind noch Forschungsansätze sowohl auf dem Gebiet der Gefahrenbewertung als auch der Gefahrenbeherrschung nötig bzw. am Laufen. Erwähnenswert dazu sind Erhebungen zum Auftreten von Noroviren auf Beerenobst und der Evaluierung hygienischer Maßnahmen bei Anbau und Ernte ebenso, wie Interventionsmaßnahmen in der Geflügelzucht zur Eindämmung von Campylobacter. Ein ebenso stark beforschtes Thema betrifft die Pathogenität von Bacillus cereus und dessen Unterscheidung von Bacillus thuringiensis, der als zugelassenes Bioagens in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt wird.

Auch in der Hygienetechnik finden laufend Forschung und Entwicklung statt. So wurden die Grundzüge zur thermischen Dekontamination von Anlagen (z.B. Slicern) in einem Branchenprojekt der Fleischwirtschaft erarbeitet und in Nachfolgeprojekten zur praktischen Anwendung gebracht. Vernebelungen, Kaltdesinfektionen sowie Konkurrenzfloren sind weitere Beispiele für angewandte Hygieneforschung, die das Ziel einer Verbesserung der mikrobiologischen Qualität von Lebensmitteln unterstützen sollen.

Fazit:
Die Mikrobiologie bleibt eines der herausfordernden Themen in der Lebensmittelsicherheit. Wissensbasierte Kettenansätze in der Risikominimierung gewinnen an Bedeutung und werden durch Forschung und Entwicklung unterstützt. Das bedingt für Lebensmittelunternehmen, sich in Bezug auf Know-how in der Gefahreneinschätzung und Risikominimierung ständig am Laufenden zu halten und die betrieblichen Lebensmittelsicherheitskonzepte dem jeweiligen Erkenntnisgewinn anzupassen.

HYGIENICUM, Institut für Mikrobiologie & Hygiene-Consulting GmbH
www.hygienicum.at