Genbanken und Züchtung: Eine Schlüsselsymbiose für die Saatgutproduktion in Zeiten des Klimawandels

Gastbeitrag von Claudia Probst, FH Oberösterreich

Landrassen von Mais, die sowohl alt als auch farbenfroh sind, repräsentieren eine reiche genetische Vielfalt und eine jahrtausendelange landwirtschaftliche Geschichte.
Landrassen von Mais, die sowohl alt als auch farbenfroh sind, repräsentieren eine reiche genetische Vielfalt und eine jahrtausendelange landwirtschaftliche Geschichte © Probst
Esposa de Pilar Aguilar
Rund zwei Drittel des Maisgenoms bestehen aus „springenden Genen“, was zu einer hohen genetischen Vielfalt und zur reichen Farbgebung beiträgt © Probst
Teosinte: Die wilde Vorfahrin des modernen Mais gilt als Zeugin einer jahrtausendealten Domestizierungsgeschichte und als Quelle genetischer Diversität
Teosinte: Die wilde Vorfahrin des modernen Mais gilt als Zeugin einer jahrtausendealten Domestizierungsgeschichte und als Quelle genetischer Diversität © Probst

19.01.2024

Der Klimawandel und die steigende Weltbevölkerung stellen eine große Herausforderung für die globale Nahrungssicherheit dar. Mit der Züchtung und Kultivierung klimaresistenter Sorten sowie mit agrartechnologischen Innovationen können wir diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen.

Die anhaltenden Temperaturextreme führen zu Pflanzenstress, welcher das Immunsystem der Pflanzen schwächt und die Ausbreitung von Schädlingen und Krankheiten begünstigt. Saatgut ist die Grundlage für die (klassische) Nahrungsmittelproduktion und spielt deshalb eine entscheiden Rolle bei der Versorgungssicherheit der Weltbevölkerung.


Saatgut ist Informationsspeicher

Pflanzen haben in jahrtausendelanger Evolution Bewältigungsmechanismen für Umweltstressoren entwickelt. Auch das Wettrüsten zwischen Pflanzen und Schädlingen ist tausende Jahre alt und tief im Genom der Pflanze einprogrammiert. Die Samen der Pflanzen tragen somit eine Vielzahl von genetischen Informationen in sich.


Genbanken unterstützen neue Züchtungen

Die rasanten Klimaänderungen überfordern aber selbst angepasste Pflanzen. Um die Lebensmittelproduktion aufrecht zu erhalten, müssen wir den Pflanzen helfend unter die Arme greifen müssen. Genbanken spielen hier eine zentrale Rolle. Sie fungieren als „lebende Datenbanken“ und konservieren Sammlungen von Saatgut. Sie repräsentieren eine unglaubliche genetische Diversität. Diese genetische Vielfalt ist entscheidend, um die notwendigen genetischen Anpassungen für die Entwicklung klimaresistenter Pflanzen zu ermöglichen. Die Nutzung dieser Saatgutbibliotheken kann somit dazu beitragen, nachhaltige und resiliente landwirtschaftliche Systeme in Zeiten des Klimawandels sicherzustellen.


Klimafitter Mais

Ein wichtiges Beispiel für die Züchtung von klimafitten Sorten stellt der Mais (Zea mays) dar. Mais wird derzeit auf fast 100 Millionen Hektar in 125 Entwicklungsländern angebaut und gehört in 75 dieser Länder zu den drei am häufigsten angebauten Kulturpflanzen. Derzeit wird fast 80 Prozent des weltweit angebauten Maises als Tierfutter verwendet, der menschliche Konsum nimmt aber sowohl in Entwicklungs- als auch Industrieländern stetig zu. So ist Mais beispielsweise in Afrika südlich der Sahara und in Lateinamerika die wichtigste Getreidepflanze für die Ernährung.


Genetisches Potenzial nützen

Mais-Landrassen weisen erhebliche morphologische Variationen und genetischen Polymorphismus auf und werden in Meereshöhen bis zu 3.800 Meter angebaut. An einem Kolben können Körner mit verschiedenen Merkmalen existieren. Manche sind resistent gegen Krankheiten, manche sind hitzetolerant. Diese genetische Diversität kann den Schlüssel für klimafittes Saatgut darstellen. Die Aufgabe der Züchtung wird es sein, dieses genetische Potenzial zu entschlüsseln und zu klimafitten Saatgut zu kombinieren. Denn letztendlich ist gesundes, robustes Saatgut der wichtigste Faktor in der Pflanzenproduktion und Basis unserer Nahrungsmittelproduktion.
 

Entwicklung Mais

Es wird angenommen, dass Mais aus der Teosinte (Zea mays ssp. parviglumis) in Südmexiko domestiziert und bereits vor 10.700 Jahren angebaut wurde. In der Folgezeit entwickelte sich der Mais weiter zu sogenannten Landrassen und breitete sich in Mexiko und Mittelamerika aus, von wo er dann in andere Teile der Welt exportiert wurde. Die genetische Vielfalt von Landrassen ist sehr groß, da jedes Korn auf einem Maiskolben von einer einzelnen befruchteten Blüte abstammt und somit genetisch einzigartig ist, ähnlich wie Geschwister in einer Familie.

Zusätzlich finden sich im Maisgenom sogenannte „springende Gene“, Transposons, die u.a. auch für die Farbvariationen verantwortlich sind. In Mais führt die Positionsänderung eines Transposons zu einer Unterbrechung der Gene, die für die Pigmentproduktion zuständig sind. Wenn ein Transposon beispielsweise in ein Gen einspringt, das für die Produktion des purpurfarbenen Pigments Anthocyan verantwortlich ist, kann es die normale Funktion des Gens stören, was zur Produktion eines nicht-purpurfarbenen (z. B. weißen oder gelben) Maiskorns führen kann. Wenn das Transposon später wieder ausspringt, kann das Gen seine normale Funktion wieder aufnehmen und ein purpurfarbenes Maiskorn produzieren.


Die Autorin

FH-Prof. Dr. Claudia Probst ist Studiengangsleiterin Agrartechnologie und -management an der Fachhochschule Oberösterreich, Campus Wels.
www.fh-ooe.at/agr