Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln

Autor: Dipl.-Ing. Dr. Thomas Eidenberger
Autor: Dipl.-Ing. Dr. Thomas Eidenberger

30.05.2017

Aus lebensmittelrechtlicher Sicht ist das Thema Haltbarkeit von Lebensmitteln sehr klar und einfach geregelt:
Das „Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels“ wird in der LMIV als „das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält“ definiert (Art. 2, (2), r). Nach dem LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Täuschung geeigneten Angaben über die Haltbarkeit in Verkehr zu bringen (§ 5 (2) 1). Lebensmittel, die „nicht sicher“ (= gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet) oder wertgemindert sind in Verkehr zu bringen (§ 5 (1) 1-2). Damit ist klar geregelt, dass der Hersteller/Vertreiber von Lebensmitteln verpflichtend ein MHD anzugeben hat, bis zu dem er gewährleistet, dass das Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält. Ein Verkauf von Lebensmitteln nach Ablauf des MHD ist möglich, wenn auf diesen Mangel deutlich hingewiesen wird.

Lebensmittelrechtlicher Überblick

Aus lebensmittelrechtlicher Sicht ist das Thema Haltbarkeit von Lebensmitteln sehr klar und einfach geregelt:
Das „Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels“ wird in der LMIV als „das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält“ definiert (Art. 2, (2), r).
Nach dem LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Täuschung geeigneten Angaben über die Haltbarkeit in Verkehr zu bringen (§ 5 (2) 1). Lebensmittel, die „nicht sicher“ (= gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet) oder wertgemindert sind in Verkehr zu bringen (§ 5 (1) 1-2).

Damit ist klar geregelt, dass der Hersteller/Vertreiber von Lebensmitteln verpflichtend ein MHD anzugeben hat, bis zu dem er gewährleistet, dass das Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält. Ein Verkauf von Lebensmitteln nach Ablauf des MHD ist möglich, wenn auf diesen Mangel deutlich hingewiesen wird.

Damit gilt der Konsument als informiert und entlässt den Hersteller/ Vertreiber aus der Gewährleistungspflicht. Bei sehr rasch verderblichen und besonders bei mikrobiologisch empfindlichen Lebensmitteln wird anstelle des MHD ein Verbrauchsdatum („zu verbrauchen bis“) angegeben. Nach dessen Ablauf gilt das Lebensmittel automatisch als „nicht sicher“.

Ausnahmen zur Verpflichtung der Angabe eines MHD betreffen z.B. loses Obst und Gemüse, Erdäpfel, alkoholische Getränke, Zucker und Essig (näheres siehe in Anhang X der LMIV).

Es ist zulässig und zu empfehlen, dass in der Nähe des MHD nähere Aufbewahrungsbedingungen gemeinsam mit einschränkenden Hinweisen (z.B. „un geöffnet mindestens haltbar“, „nach Erstöffnung sofort verbrauchen“, „Lagerung bei 4-8 °C“) gegeben werden. Üblicherweise legt der Hersteller/Vertreiber damit fest, unter welchen Bedingungen er für das MHD gewährleistet. Es muss darauf hingewiesen werden, dass solche Angaben weder widersprüchlich noch realitätsfremd sein dürfen (z.B. durchsichtige Plastikflasche mit dem Hinweis „vor Licht geschützt aufbewahren“ oder für ein ungekühltes Produkt die Angabe „bei 14-16 °C lagern“).

Es ist gängige Praxis behördlicher Beanstandungen, dass nicht nur die bestimmungsgemäße Aufbewahrung gemäß den Angaben am Etikett sondern auch die vorhersehbare Aufbewahrung eines Lebensmittels beurteilt wird.

Vorhersehbar sind die Bedingungen in einem Einzelhandelsgeschäft (Temperatur, Licht), vorhersehbar sind Transportbedingungen (Dauer, Temperatur) und letztlich vorhersehbar ist die übliche Aufbewahrung des Lebensmittels beim Konsumenten.

Spezifische Eigenschaften eines Lebensmittels

Die Schlüsselfrage aus lebensmittelrechtlicher Sicht sind die „spezifischen Eigenschaften“ eines Lebensmittels, die es bis zum MHD zu behalten hat.

Jedes Lebensmittel wird auf Basis von wertbestimmenden und wertmindernden Eigenschaften beurteilt.

Eine Übersicht dafür ist in Tabelle 1 dargestellt. Wie ersichtlich hängt die Beurteilung, ob ein Lebensmittel seine spezifischen Eigenschaften behalten hat, von der sensorischen, chemischen und mikrobiologischen Beurteilung ab. Wird ein Lebensmittel am Ende des MHD untersucht, dann müssen alle genannten Eigenschaften zur Beurteilung „frei von Mängeln“ führen, andernfalls wäre das Lebensmittel als wertgemindert, für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich zu beurteilen und würde demnach nicht den gesetzlichen Verpflichtungen entsprechen.

Es obliegt dem Hersteller/Vertreiber das MHD so anzugeben, dass das Lebensmittel am Ende des MHD seine spezifischen Eigenschaften behalten hat und als „mängelfrei“ beurteilt wird.

Aus Gewährleistungsgründen müsste daher der Hersteller/Vertreiber ein kurzes MHD mit genau definierten Aufbewahrungsbedingungen wählen und möglichst alle freiwilligen Angaben unterlassen (wer keine Vitamine auslobt, muss diese am Ende des MHD nicht nachweisen!).

Dem gegenüber stehen die Anforderungen der Logistik, des Transports und des Lebensmittelhandels, die allesamt ein (un) möglichst langes MHD bei undefinierten Aufbewahrungsbedingungen erfordern, gleichzeitig aber dem Hersteller/Vertreiber nicht aus der Gewährleistung entlassen.

Dieses Dilemma kann bei bestehenden Produkten nicht durch willkürliche LC UpDates 04/2016 - Seite 08 Verlängerung des MHD gelöst werden, sondern nur durch lebensmitteltechnologische Maßnahmen, die das MHD unter den geforderten Aufbewahrungsbedingungen auch tatsächlich verlängern.

Bei Entwicklung von neuen Produkten kann das MHD in die Zielanforderungen für das Produkt aufgenommen werden, um dieses Dilemma von Beginn an zu vermeiden. Neben den gesetzlichen Anforderungen muss dabei auch berücksichtigt werden, dass auch ein als „mängelfrei“ beurteiltes Produkt von Konsumenten subjektiv als „mangelhaft“ beurteilt werden kann und damit von ei nem Wiederkauf Abstand genommen wird. Ein klares Fruchtsaftgetränk, in dem innerhalb des MHD Trübungen auftreten, ist gesetzlich möglicherweise „mängelfrei“, für den Konsumenten aber „mangelhaft“. Gleiches könnte für eine Semmel gelten, die zäh und unregelmäßig geformt ist oder für eine Senftube, die deutlich verformt im Regal steht.

Das MHD kann für ein Produkt nicht ohne entsprechende Prüfungen festgelegt werden. Es ist behördliche Praxis die Frage nach der Basis für die Entscheidung eines MHDs zu stellen und die entsprechenden Unterlagen einzusehen.

Lebensmitteltechnologische Sicht auf das MHD

  • Aus lebensmitteltechnologischer Sicht sind für das Festlegen eines MHD folgende Punkte zu berücksichtigen:
  • die Rezeptur/Zusammensetzung, Herstellung und die Verpackung des Lebensmittels
  • die bestimmungsgemäßen und die vorhersehbaren Lager- und Transportbedingungen
  • die Exposition gegenüber erhöhter Tempraturen, Licht und Sauerstoff
  • die spezifischen Eigenschaften des Lebensmittels
  • die objektiven, spezifischen Eigenschaften (gesetzlich geregelt, Kundenvorgaben)
  • die subjektiven, spezifischen Eigenschaften (Herstellervorgaben, Prestige, Marke)
  • orientierende Untersuchungen (pHWert, Wasseraktivität, Vitamingehalt, Fettkennzahlen,…)

Liegen Informationen zu den erwähnten Punkten vor, kann man eine erste, konservative Schätzung eines MHD vornehmen. Dazu werden üblicherweise die Zusammensetzung (Empfindlichkeit der Zutaten, Einsatz von Konservierungsstoffen, ...), die Herstellung (thermische Belastung, Hygienebedingungen, …), die Verpackung und objektive, spezifischen Eigenschaften (z.B. mikrobiologischer Verderb) und die Ergebnisse der orientierenden Prüfungen (pH-Wert, Wasserativität) herangezogen.

Obwohl selten angewendet, sollten hier aber auch subjektive, spezifische Eigenschaften berücksichtigt werden, denn diese können über den Wiederkauf eines Produktes entscheiden (z.B. ein grau-braun verfärbter Smoothie ist möglicherweise lebensmittelrechtlich „mängelfrei“, kaufen würde man diesen aber kein zweites Mal). Auf dieser Basis kann ein vorläufiges MHD festgelegt werden, das im Sinne des Herstellers/Vertreibers eher kurz ist, um den Erhalt der spezifischen Eigenschaften am Ende des MHD sicherzustellen.

Nach der Festlegung eines vorläufigen MHDs muss eine experimentelle Untersuchung der Haltbarkeit in Form von Lagerversuchen mit dem Lebensmittel in der Handelsverpackung erfolgen. Die einfachste Untersuchung ist das Lagern bei bestimmungsgemäßer Aufbewahrung und regelmäßige Untersuchung der festgelegten Eigenschaften, die das Lebensmittel behalten muss.

Komplexere Untersuchungen berücksichtigen den Einfluss von Temperatur (Lagern bei mehreren Temperaturen), von Luftfeuchtigkeit (Lagern bei definierter Luftfeuchtigkeit) und von Licht (Lagern mit definierter Lichtexposition) auf die Haltbarkeit. Parallel zu diesen Untersuchungen kann das MHD schrittweise auf Basis der Ergebnisse verlängert werden.

In Ausnahmefällen (z.B. wenn ein Echtzeitlagerversuch aus Zeitgründen nicht möglich ist) kann das MHD mit beschleunigten Lagerversuchen bestimmt werden.

Dazu wird das Lebensmittel bei zumindest 3 Temperaturen gelagert und die Ergebnisse der Untersuchungen (z.B. Gesamtkeimzahl, Vitamingehalt, Gehalt einer mengenmäßig angegebenen Zutat,…) können mithilfe bekannter Berechnungsverfahren , sowohl auf zeitliche Veränderungen als auch auf andere Temperaturen extrapoliert werden.

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das MHD ein wesentliches Merkmal eines Lebensmittels darstellt.

Die Ermittlung eines nachvollziehbaren MHDs erfordert sowohl lebensmittelrechtliche als auch lebensmitteltechnologische Kenntnisse. Ohne detaillierte Kenntnisse des Lebensmittels (Zusammensetzung, Herstellung, Verpackung, Kennzeichnung) und ohne Untersuchungen mit dem Lebensmittel kann kein seriöses MHD ermittelt werden. Externe Anforderungen an ein MHD (z.B. Einzelhandel) sind keine Grundlage zur freien Wahl eines MHDs sondern ein Auftrag, das Produkt entsprechend zu entwickeln oder zu optimieren. 1 Lebensmittelinformationsverordnung VO (EU) 1169/2011 idjgF. 2 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz BGBl. I 13/2006 idjgF. 3 Mindesthaltbarkeitsdatum 4 Labuza TP, Schmidl MK. Accelerated shelf-life testing of foods. Food Technology, 1988 39 (9) 57–62, 64. 5 Kilcast D and Subramaniam P (Ed). The stability and shelf-life of food. Woodhead Publishing Limited, England, 2000 (ISBN 1 85573 500 8).